P82 Symposium mit dem Gast: Reiner Mertins, Mertins Landschaftsarchitektur
Reiner Mertins Blick auf die Palmaille ist durch die historische spielerische Funktion geprägt:
„Die Palmaille ist für mich vor allem ein Ort, der seine Form und auch seinen Namen durch eine historische Aktivität erhalten hat: Paille-Maille war ein Ballspiel des 16. und 17. Jahrhunderts und ein Vorläufer des Croquet. Die Palmaille ist in historischen Karten als Allee dargestellt, auf deren großzügigem Mittelstreifen man besagtes Spiel spielen konnte. Gespielt wurde auf einer langen befestigten Bahn, an deren Ende ein eiserner Reifen über dem Boden aufgehängt war. Ziel war es, einen Ball mit möglichst wenigen Schlägen eines hölzernen Schlägers entlang der Bahn und durch den Reifen zu schlagen. Ich persönlich finde es sehr charmant, wenn Orte eine Historie in sich tragen, die man auch in der Gegenwart noch wahrnehmen kann – wenn man sich denn dafür interessiert. Davon abgesehen, ist die Palmaille natürlich auch immer schon ein Verkehrsweg und dazu ein bewohnter Verkehrsweg gewesen. Hier verbinden sich also einige Funktionen miteinander, die dem Menschen in der Stadt sehr nützlich sind.“
Reiner Mertins betont in seinem Vortrag das Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach grüneren Städten und der erforderlichen Dichte:
„Die Städte sollen grüner werden, das ist der Trend der Zeit. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen an unseren Beitrag als Landschaftsarchitekten im Projekt. Das Grundstück wird vollständig bebaut. Grün kann also nur unmittelbar auf oder am Gebäude stattfinden. Ein Gebäude ist nicht der natürliche Standort für das üppige Grünvolumen, das man sich vorstellt. Da muss technisch nachgeholfen werden. Viel Abstimmungsarbeit zwischen Hochbauarchitekt, Haustechnikplaner, Statiker und uns Landschaftsarchitekt ist nötig, um der gewünschten Grünmasse nahezukommen. Der Auftraggeber muss den baulichen Aufwand bezahlen und langfristig das Überleben der Pflanzen sichern. Wir als Gesellschaft müssen die Frage diskutieren, in welchem Umfang sich dieser Aufwand gesamtökologisch betrachtet wirklich lohnt. Der Mehrwert, den man durch Grün erzielt, muss den erhöhten Einsatz von Energie und Ressourcen für Bau und Unterhaltung schlussendlich rechtfertigen.“
Die „natürliche Sukzession“ – also das sich selbst Überlassen des Grünstreifens – stellt einen mögliche Zukunft der Palmaille dar. Die KI-Illustration zeigt, was passiert, wenn sich die Natur den Grünraum „zurückerobert“.
Das Büro Mertins Landschaftsarchitektur beobachtet nicht nur die deutsche, sondern auch die europäische und skandinavische Landschaftsarchitektenszene. Es gibt beispielsweise in Kopenhagen Ansätze, bei denen Verkehrsinseln nicht nur mit Rasenflächen bepflanzt werden, sondern richtige Ökosysteme mit Artenvielfalt, Totholz und Waldwegen versehen werden. Die Frage tritt auf, ob das auch hierzulande Schule machen kann.